Ausbau und intelligentes Abregeln können Europas Energiesystem günstiger machen belegt neue Studie

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Ausbau und intelligentes Abregeln können Europas Energiesystem günstiger machen belegt neue Studie

Eine neue Studie über Ausbau und intelligentes Abregeln zeigt, dass mit Photovoltaik, Wind und Kurzzeitspeichern rund 92,5 % des Strombedarfs Europas gedeckt werden könnten – der Rest durch grünen Wasserstoff. Durch einen strategischen Überbau der Erzeugungskapazitäten und proaktives Abregeln lassen sich Systemkosten senken. Der Schlüssel liegt in einer geschickten Balance zwischen Erzeugung, Netz und Flexibilitätsoptionen.


Hintergrund und Motivation

Die Energiewende in Europa steht vor einer doppelten Herausforderung: einerseits müssen die Klimaziele erreicht und die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern reduziert werden, andererseits gilt es, die Versorgungssicherheit auch in Phasen geringer Erzeugung zu garantieren.

Während Photovoltaik und Windkraft heute schon die günstigsten Formen der Stromproduktion sind, stellt ihre volatile Einspeisung Netzbetreiber und Energiepolitiker vor neue Aufgaben. Die niederländische Studie zeigt, dass diese Herausforderungen mit einem vorausschauenden Ansatz lösbar sind. Ein proaktives Abregeln kann dabei nicht als Verschwendung, sondern als systemische Optimierungsmaßnahme verstanden werden.


Methodik und Szenarien

Um die optimalen Kostenstrukturen zu ermitteln, setzten die Forschenden auf das Modell PEIROCOM. In zahlreichen Szenarien wurden Technologien miteinander kombiniert: Photovoltaik, Windenergie an Land und auf See, Batteriespeicher, Elektrolyseure zur Wasserstoffproduktion sowie vorhandene Kapazitäten aus Wasserkraft und Kernenergie. Besonders berücksichtigt wurde, wie oft und in welchem Umfang Abregelungen notwendig wären und welche Effekte sie auf die Gesamtkosten haben.

Dabei wurde eine Kennzahl eingeführt: das sogenannte „Firm kWh Premium“. Diese beschreibt, wie hoch die Mehrkosten einer gesicherten Kilowattstunde gegenüber einer ungesicherten, also fluktuierenden, Kilowattstunde ausfallen. Durch diese Metrik lassen sich die Vorteile eines strategischen Erzeugungsüberbaus klar quantifizieren.


Zentrale Ergebnisse

Die Untersuchung liefert klare Zahlen und Szenarien, die zeigen, wie ein weitgehend erneuerbares Energiesystem in Europa funktionieren kann. Besonders im Zusammenspiel von Photovoltaik, Windkraft, Speichern und Wasserstoff wird deutlich, dass Kostenoptimierung und Versorgungssicherheit Hand in Hand gehen können.

  • Photovoltaik und Wind können mit Kurzzeitspeichern rund 92,5 % des europäischen Strombedarfs decken.
  • Die restlichen 7,5 % werden über grünen Wasserstoff bereitgestellt.
  • Abregelung reduziert die Gesamtkosten, da Speicher- und Netzausbau gezielter eingesetzt werden können.
  • Wasserstofftechnologien und wasserstoffbetriebene Gasturbinen sichern die Stromversorgung bei länger andauernden Flauten.
  • Reine Netzausbauszenarien oder reine Speicherstrategien sind kostenintensiver als die Kombination aus Überbau und gezieltem Curtailment.

Ergänzende wissenschaftliche Hintergründe

Curtailment – also das gezielte Abregeln von Erneuerbaren-Anlagen – wird häufig kritisch gesehen. Doch neue Studien zeigen, dass Abregelungsraten von 5 bis 10 % ökonomisch sinnvoll sein können. Der entscheidende Gedanke: Es ist günstiger, gelegentlich Strom nicht ins Netz einzuspeisen, als teure Speicher oder zusätzliche Netzinfrastruktur ausschließlich für seltene Extremphasen vorzuhalten.

Darüber hinaus bieten sich neue Nutzungsoptionen für abgeregelten Strom an. Besonders die Wasserstoffproduktion durch Elektrolyse kann Überschüsse aufnehmen und flexibel reagieren. Damit entstehen Synergien zwischen Stromsystem und anderen Sektoren – der sogenannte Sektorkopplungseffekt. So könnte überschüssiger Solar- oder Windstrom nicht nur die Stromversorgung sichern, sondern auch in den Bereichen Wärme, Verkehr und Industrie eingesetzt werden.


Kosten, Investitionen und Herausforderungen

Der Ausbau von Solar- und Windkraft wird in den kommenden Jahren enorme Investitionen erfordern. Branchenanalysen gehen davon aus, dass die jährlichen Zubauraten verdoppelt oder gar verdreifacht werden müssen, um die europäischen Klimaziele für 2030 und 2040 zu erreichen. Dies bedeutet nicht nur hohe Investitionen, sondern auch eine erhebliche Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsprozessen.

Hinzu kommt die Notwendigkeit, Marktmechanismen zu reformieren. Wenn Abregelung künftig ein bewusstes Steuerungsinstrument ist, muss auch die Vergütung angepasst werden. Anlagenbetreiber brauchen Planungssicherheit, damit Investitionen in erneuerbare Energien attraktiv bleiben. Zudem muss die Bevölkerung von den Vorteilen überzeugt werden, um Akzeptanzprobleme bei neuen Leitungen oder Windparks zu überwinden.


Fazit und Ausblick

Die Studie unterstreicht, dass Europa die Energiewende kosteneffizient gestalten kann, wenn ambitionierter Erneuerbaren-Ausbau, gezieltes Abregeln und Sektorkopplung klug miteinander kombiniert werden. Proaktives Curtailment ist kein Rückschritt, sondern eine Chance, die Systemkosten im Zaum zu halten und zugleich Flexibilitätsoptionen für andere Sektoren zu schaffen.

Damit diese Vision Realität wird, sind mutige politische Entscheidungen, umfassende Investitionen und eine koordinierte europäische Zusammenarbeit nötig. Nur so lässt sich ein stabiles, nachhaltiges und wirtschaftlich tragfähiges Energiesystem etablieren, das die Abhängigkeit von fossilen Energien endgültig überwindet.


Zitat aus der Studie Ausbau und intelligentes Abregeln

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass ein Überbau an erneuerbarer Erzeugung kombiniert mit gezieltem Abregeln die kosteneffizienteste Strategie ist, um ein nahezu vollständig erneuerbares Energiesystem in Europa aufzubauen.“ (Studie der Universität Utrecht, 2025)

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