Batteriespeicher statt Gas? Warum 10-Stunden-Speicher in der Kraftwerksstrategie plötzlich eine Schlüsselrolle spielen könnten
Nach der jüngsten Abstimmung im Koalitionsausschuss liegt eine neue Kraftwerksstrategie auf dem Tisch. Geplant ist ein Paket von Gaskraftwerken mit einer Gesamtleistung von acht Gigawatt, die mindestens zehn Stunden durchgehend einspeisen sollen. Diese Reserve soll Engpässe abfedern, wenn Wind und Sonne schwächeln. Gleichzeitig flammt eine Debatte auf, ob diese Kapazität zwingend konventionell erzeugt werden muss oder ob langfristig Batteriespeicher denselben Zweck erfüllen könnten.
Die Frage, Batteriespeicher statt Gas, wirkt technischer, als sie ist. Letztlich geht es darum, welche Technologie Deutschland in den kommenden Jahren Milliarden kosten darf und welche davon besser geeignet ist, ein erneuerbares Energiesystem abzusichern.
Streitpunkt Versorgungssicherheit: Können Speicher wirklich Gas ersetzen?
Mehrere Analysten weisen darauf hin, dass große Batteriespeicher inzwischen weit mehr leisten können als das klassische Ausgleichen von Spitzen. Die Diskussion dreht sich um die zentrale Frage, ob Speicher wirtschaftlich genug sind, um in einem Ausschreibungsverfahren gegen Gaskraftwerke anzutreten. Dabei fordern Fachleute verlässliche Rahmenbedingungen, damit Investoren bereit sind, Projekte mit langen Speicherdauern umzusetzen.
Christian Schäfer von der Analyseplattform Regelleistung Online fasst die Lage so zusammen: „Wenn Politik und Marktmechanismen zusammenpassen, ist ein 10-Stunden-Speicher kein technisches Wunderwerk mehr, sondern eine Frage der richtigen Rahmenbedingungen. Es geht nicht um die Frage, ob Speicher leistungsfähig genug sind, sondern darum, ob wir ihnen in den Ausschreibungen zutrauen, das zu leisten, was man bisher automatisch den Gaskraftwerken zuschreibt“.
Warum lange Speicherzeiten überhaupt realistisch werden
Die Kalkulationen der Bewertung zeigen, dass Speicherprojekte gegen Anfang der 2030er Jahre auch ohne dauerhafte Förderung tragfähig sein könnten. Man kann also davon ausgehen, dass sinkende Batteriepreise den Ausschlag geben. Ein System mit zehn Stunden Speicherdauer wäre deutlich größer als die aktuell üblichen Projekte, aber nicht grundsätzlich unwirtschaftlich. Entscheidend bleibt, wie stark sich erneuerbare Energien weiter ausbreiten und welche Erlösmöglichkeiten Speicher auf den Energiemärkten erschließen können.
Im Kern bedeutet das: Solange genug grüner Strom erzeugt wird, könnten Speicher genau in den Zeiträumen einspringen, in denen das Angebot schwankt.
Batteriespeicher statt Gas? Was die Kosten sagen
Besonders im Kostenvergleich schneiden Speicher derzeit überraschend gut ab. Laut Berechnungen für das vergangene Jahr lag die Förderung für neue Gaskraftwerke im Bereich von über 600 Euro je Kilowatt Leistung. Speicher kämen in typischen Szenarien auf deutlich niedrigere Werte. Werden diese Zahlen auf mehrere Gigawatt hochgerechnet, ergeben sich mögliche Einsparungen in Milliardenhöhe.
Dazu kommt ein zweiter Faktor: Speicher können parallel in mehreren Märkten Geld verdienen. Sie liefern Regelenergie, beteiligen sich am Stromhandel und profitieren vom zeitlichen Preisunterschied zwischen Einspeisung und Entnahme. Allerdings bleibt unklar, wie stabil diese Geschäftsmodelle in einem zunehmend erneuerbaren Energiesystem sein werden.
Stärken und Schwächen moderner Speichersysteme
Batteriespeicher bringen systemische Vorteile mit sich. Sie reagieren schnell, verbessern die Netzstabilität und erhöhen die Flexibilität im Gesamtsystem. Der größte Pluspunkt liegt darin, dass Speichersysteme erneuerbaren Strom genau dann bereitstellen, wenn dieser gebraucht wird. Die technische Möglichkeit, zehn Stunden verlässlich Strom abzugeben, gilt mittlerweile nicht mehr als Zukunftsvision, sondern als realistische Option für die nächsten Ausschreibungsgenerationen.
Gleichzeitig bleiben Schwachpunkte. Speicher sind geeignet, mittlere Flauten zu überbrücken, doch bei mehrtägigen Engpässen stoßen sie an Grenzen. Für diese Situationen wären ergänzende Lösungen wie Wasserstoffspeicher oder andere Langzeitspeicher nötig. Auch wirtschaftliche Faktoren wie Standortkosten und die noch instabile Erlösstruktur spielen eine Rolle. Die Botschaft vieler Experten ist klar: Speicher können einen großen Teil beitragen, aber nicht jede Aufgabe übernehmen.
Warum eine offene Ausschreibung entscheidend wäre
Die Kraftwerksstrategie mischt Speicher und Gas, um Versorgungslücken zu decken. Doch Branchenkenner argumentieren, dass eine technologieoffene Ausschreibung deutlich mehr Wettbewerb bringen würde. Speicher könnten sich, sofern sie günstiger sind, einen größeren Teil sichern. Das würde nicht nur Kosten senken, sondern auch den Ausbau klimafreundlicher Technologien beschleunigen.
Das aktuelle Verhältnis zwischen Gaskraftkapazitäten und Speicheranteilen gilt vielen als unausgewogen. Beide Systeme erfüllen unterschiedliche Funktionen, und mit jedem Zubau von Wind und Sonne verschiebt sich die Nachfrage nach flexibler Leistung erneut. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob die Politik das Ausschreibungsdesign an diese dynamische Entwicklung anpasst.
Das Ergebnis – Speicher rücken in die Pole Position, aber nicht allein
Ob 10-Stunden-Batterien künftig eine tragende Rolle im Energiesystem übernehmen, hängt von politischen Entscheidungen und technologischen Fortschritten ab. Sinkende Batteriepreise und ein offenes Ausschreibungssystem könnten den Speichern zu einem spürbaren Vorteil verhelfen. Sie sind flexibel, sauber und unter bestimmten Bedingungen kosteneffizient.
Trotzdem bleibt ein Mischsystem aus erneuerbaren Energien, Speichern und begrenzten thermischen Reserven auf absehbare Zeit die realistische Variante. Die Kunst wird sein, Speicher dort einzusetzen, wo sie die größten Effekte erzielen, und gleichzeitig langfristige Lösungen für sehr lange Versorgungsengpässe zu entwickeln.
