Solarpark-Streit im Altenburger Land: Wie ein Dorf gegen die Energiewende rebelliert
Einleitung
Während Deutschland seine Ziele zur Energiewende immer ehrgeiziger formuliert, zeigt ein aktueller Fall in Thüringen exemplarisch, wie stark die Umsetzung vor Ort mit Widerständen zu kämpfen hat. Im Altenburger Land, genauer im Ortsteil Hainichen der Stadt Gößnitz, wurde ein ambitioniertes Photovoltaikprojekt gestoppt – nicht etwa aus wirtschaftlichen Gründen, sondern wegen kommunalpolitischer Uneinigkeit und Bürgerprotesten. Es entwickelte sich ein Streit um den geplanten Solarpark.
Was geplant war
Ein privater Projektentwickler wollte in der Region eine großflächige Photovoltaikanlage auf landwirtschaftlich genutztem Boden errichten. Die Rede ist von mehreren Hektar Fläche und einer geplanten Leistung, die ausgereicht hätte, um rechnerisch mehrere tausend Haushalte mit sauberem Solarstrom zu versorgen. Geplant war eine Umwidmung der Fläche im Flächennutzungsplan, die vom zuständigen Bauausschuss abgesegnet werden sollte.
Politischer Rückschlag
Doch genau hier hakte es: Der Gößnitzer Bauausschuss stimmte gegen die Umwidmung. Damit ist das Projekt faktisch auf Eis gelegt. Laut einem Bericht der Ostthüringer Zeitung fiel die Entscheidung denkbar knapp aus – ein weiteres Indiz für die Spaltung innerhalb der Kommunalpolitik. Die Ablehnung markiert nicht nur das vorläufige Aus für das Projekt, sondern sendet auch ein klares Signal: Der Weg zur Energiewende ist in Deutschland kein Selbstläufer.
Planungsunterlagen online einsehbar:
Die Stadt Gößnitz hat den Geltungsbereich des geplanten Solarparks im Rahmen der dritten Änderung des Flächennutzungsplans veröffentlicht.
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(Quelle: Stadt Gößnitz, öffentliche Beteiligung Juni 2025)
Stimmen aus der Region
Ein Sprecher der Bürgerinitiative gegen das Projekt erklärte gegenüber der OTZ:
„Wir sind nicht gegen Solarenergie. Aber wir wollen sie dort, wo sie niemanden stört – und nicht direkt vor unserer Haustür.“
Diese Aussage bringt das Dilemma auf den Punkt: Die Zustimmung zur Energiewende ist groß – solange sie abstrakt bleibt. Wird sie konkret, etwa in Form von Anlagen im direkten Umfeld, bröckelt die Unterstützung häufig. Gleichzeitig äußerten sich Vertreter regionaler Umweltinitiativen enttäuscht über die Entscheidung.
„Es kann nicht sein, dass wir Solaranlagen befürworten, aber dann jeden Standort ablehnen, sobald jemand protestiert“, sagte die Sprecherin des Bündnisses SonneStattKohle e. V.
Konfliktlinien: Heimat vs. Zukunft
Die Diskussion rund um Hainichen steht exemplarisch für viele Konfliktlinien in der deutschen Energiewende. Häufig treffen lokale Identität, Heimatverbundenheit und Landschaftsschutz auf abstrakte Klimaziele und wirtschaftliche Interessen. Hinzu kommt das Misstrauen gegenüber externen Projektentwicklern. Nicht selten stehen hinter solchen Solarparks überregionale Investoren oder anonyme Gesellschaften, deren wirtschaftliches Interesse für viele schwer mit dem Gemeinwohlgedanken vereinbar ist. Das Vertrauen fehlt – und damit die Akzeptanz.
Was sagt die Politik zum Solarpark-Streit?
Das Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz äußerte sich bislang nicht konkret zu diesem Fall, verwies jedoch in einer früheren Stellungnahme auf die Notwendigkeit dezentraler Energieerzeugung.
Eine Sprecherin erklärte bereits im Februar: „Jede Region muss ihren Beitrag zur Energiewende leisten. Wer heute Solar ablehnt, muss morgen erklären, woher der Strom kommen soll.“
Diese Worte wiegen schwer – gerade angesichts der Tatsache, dass Thüringen beim Ausbau der Photovoltaik im bundesweiten Vergleich noch hinterherhinkt. Laut Bundesnetzagentur betrug der Zubau in Thüringen im Jahr 2024 nur rund 225 Megawatt – andere Flächenländer liegen deutlich darüber.
Einordnung & Meinung
Natürlich ist der Schutz der Landschaft ein legitimes Anliegen. Doch wenn selbst Solarparks – leise, flach und ökologisch verträglich – nicht mehr akzeptiert werden, stellt sich die Frage, ob die Energiewende überhaupt noch demokratisch umsetzbar ist. Es braucht nicht nur Technik, sondern Kommunikation. Nicht nur Fördermittel, sondern Beteiligung. Vielleicht ist der Fall Hainichen ein Weckruf: Die Akzeptanz erneuerbarer Energien beginnt nicht mit einer EEG-Novelle in Berlin, sondern mit Vertrauen in Rathäusern und Bürgerhäusern.
Ausblick
Die Entscheidung ist gefallen – vorerst. Doch wie so oft im politischen Alltag ist nichts endgültig. Sollte sich der Stadtrat unter öffentlichem oder wirtschaftlichem Druck erneut mit dem Projekt befassen, könnte es zu einer Kehrtwende kommen. Für die regionale Energiewende wäre das wünschenswert – vorausgesetzt, der Dialog wird diesmal nicht von Misstrauen, sondern von echter Beteiligung geprägt.
Weiterführende Links
– Bundesnetzagentur: Die Bundesnetzagentur informiert über Ausschreibungen zur finanziellen Förderung von Solaranlagen, insbesondere für Freiflächenanlagen und Anlagen auf Gebäuden oder Lärmschutzwänden.
Zur Webseite der BNA
– Bürgerdialog Stromnetz: Der Bürgerdialog Stromnetz ist eine Initiative für den offenen und transparenten Austausch zwischen allen Beteiligten rund um den Ausbau des Stromnetzes in Deutschland.
Zur Webseite des BMWE