Redispatch-Maßnahmen fast verdoppelt für Photovoltaik Anlagen im zweiten Quartal
Im zweiten Quartal 2025 haben sich im Bereich Photovoltaik in Deutschland die Redispatch-Maßnahmen fast verdoppelt. Dabei sind aber 97 Prozent der regenerierbaren Erzeugung nach Verlautbarung der Bundesnetzagentur im zweiten Quartal bei den Letztverbrauchern angekommen. Diese Entwicklung wirft Fragen hinsichtlich Netzstabilität, Anpassungsbedarf in Vertragswerken und neuen Herausforderungen für Betreiber von Solarparks und Pachtverträge auf.
Steiler Anstieg bei Redispatch durch Photovoltaik
Laut den aktuellen Zahlen der Bundesnetzagentur entfielen im Zeitraum April bis Juni 2025 1.168 GWh Redispatch-Maßnahmen auf Photovoltaikanlagen, nachdem es im Vorjahr noch 605 GWh waren — ein Anstieg um nahezu 93 %. Damit machen Solar‑Anlagen erstmals mehr als die Hälfte des Gesamtvolumens an Redispatch‑Maßnahmen bei erneuerbaren Energien aus.
Im gleichen Zeitraum gingen die Abregelungen von Offshore-Windkraft um rund 37 % zurück, was die Verschiebung der Netzbelastung deutlich zeigt. Trotz dieser Zunahme wurde 97 % der erneuerbaren Erzeugung an die Letztverbraucher geliefert — das zeigt, dass das Netz insgesamt weiterhin stabil blieb.
Warum haben sich Redispatch-Maßnahmen fast verdoppelt bei Photovoltaik?
Der Redispatch war bislang vor allem ein Thema für Windkraftanlagen, insbesondere Offshore-Anlagen mit hoher Einspeiseleistung. Doch im Jahr 2025 hat sich das Bild deutlich gewandelt. Die Photovoltaik hat – bedingt durch Wetter, Netzausbauverzögerungen und politische Rahmenbedingungen – deutlich an Bedeutung im Redispatch-Management gewonnen. Diese Entwicklung hat mehrere treibende Faktoren:
- Stärkere Sonneneinstrahlung bei gleichzeitig geringem Windaufkommen im zweiten Quartal 2025.
Der Frühling und Frühsommer 2025 waren überdurchschnittlich sonnig, während typische Windregionen – etwa Nord- und Ostdeutschland – eine längere Schwächephase erlebten. Das führte zu einer überproportionalen Einspeisung durch PV-Anlagen, vor allem in den Mittagsstunden. - Höhere Einspeisung dezentraler PV-Anlagen, insbesondere im Verteilnetz.
Anders als große Windparks speisen PV-Anlagen in der Regel dezentral ein – etwa über Hausdächer, Agrarflächen oder Solarparks im ländlichen Raum. Diese Einspeisung belastet vor allem das Verteilnetz, das für diese Mengen oft nicht ausreichend dimensioniert ist. - Zunehmende Ost-West-Lastflüsse, die mit Offshore-Wind nicht reguliert werden können.
Der klassische Redispatch bezog sich lange auf Nord-Süd-Lastflüsse. Durch den Ausbau der Photovoltaik, insbesondere in Ostdeutschland und Süddeutschland, verschieben sich Engpässe zunehmend in Ost-West-Richtungen, die mit bestehenden Offshore-Leitungen nicht abgedeckt werden können. - Knapp 49 % der Abregelungen in Q2/2025 fanden im Verteilernetz statt – im Vorjahr waren es noch 29 %.
Diese Zunahme zeigt, dass nicht mehr nur die großen Übertragungsnetze betroffen sind. Es sind vielmehr die lokalen und regionalen Netze, in denen es regelmäßig zu Überlastungen kommt. Redispatch-Maßnahmen betreffen dadurch zunehmend kleinere Anlagen und Anlagenbetreiber – und damit auch Grundstückseigentümer, die Flächen verpachtet haben.
Dazu schreibt die Beschlusskammer 6 der Bundesnetzagentur: „Angesichts des geplanten und notwendigen Zubaus von EE‑Erzeugung wird in der Zukunft die Abregelung von Erzeugung durch den Netzbetreiber auf absehbare Zeit unvermeidbar bleiben.“
Redispatch 3.0: Lokale Flexibilität statt zentraler Abregelung
Während Redispatch 2.0 vor allem größere, zentral steuerbare Einspeiseanlagen betraf, zielt das neue Konzept Redispatch 3.0 darauf ab, auch dezentrale Verbraucher aktiv in das Engpassmanagement einzubinden. Statt Solarstromanlagen bei Netzengpässen einfach abzuregeln, soll überschüssiger Strom künftig lokal genutzt werden. Möglich ist das bei Wärmepumpen, Batteriespeicher oder Elektrofahrzeuge im Niederspannungsnetz.
Ziel ist ein intelligentes Zusammenspiel von Erzeugung und Verbrauch, gesteuert über Smart-Meter-Infrastruktur, automatisierte Prozesse und aggregierte Steuerung durch Messstellenbetreiber. Der Ansatz verspricht nicht nur mehr Netzstabilität, sondern auch direkte Vorteile für Endkunden und PV-Betreiber. Diese liegen vor allem bei einer flexibleren Einspeisung, geringeren Abregelungen und einer effizienteren Netznutzung.
Fazit: Redispatch wird zur neuen Realität für Solarstrom – jetzt ist strategisches Handeln gefragt
Die aktuellen Zahlen, die zeigen, dass sich die Redispatch-Maßnahmen fast verdoppelt haben, belegen aber auch, dass Redispatch eine zunehmend zentrale Rolle im Photovoltaikbereich spielt. Betreiber, Investoren und Grundstücksverpächter müssen mit intelligenten Vertragsmodellen, wirkungsvollem Monitoring und einer klaren strategischen Ausrichtung reagieren. Nur so lässt sich das Potenzial erneuerbarer Energien auch unter herausfordernden Netzbedingungen zuverlässig nutzen.
Zukünftig wird es nicht mehr genügen, allein auf Einspeisevergütung und hohe Sonnenerträge zu setzen. Vielmehr braucht es flexible Vertragskonzepte, die auch Engpässe, technische Anpassungen und neue Marktmodelle wie Redispatch 3.0 mitdenken. Wer frühzeitig auf Transparenz, Datenaustausch, netzdienliche Flexibilität und rechtliche Absicherung setzt, wird nicht nur wirtschaftlich robuster aufgestellt sein, sondern auch teilhaben an einer zukunftsfähigen Energiearchitektur, die Erzeugung und Verbrauch intelligenter verknüpft.
