Österreich startet „Made in Europe“-Bonus für Photovoltaik: Ein Schritt zur Solarunabhängigkeit in Europa
Mit dem Start des zweiten Fördercalls für Photovoltaikanlagen am 23. Juni 2025 setzt Österreich ein deutliches Zeichen für die europäische Solarindustrie. Erstmals wird in der Förderung ein spezieller „Made in Europe“-Bonus gewährt, der bis zu 30 Prozent zusätzliche Unterstützung ermöglicht – allerdings nur, wenn wesentliche Komponenten der PV-Anlage aus europäischer Fertigung stammen. Der Schritt wird als energiepolitisch wie industriepolitisch bedeutend eingeschätzt und trifft in der Branche auf breite Zustimmung.
Angesichts globaler Lieferkettenprobleme, geopolitischer Unsicherheiten und wachsender ökologischer Verantwortung wird immer klarer: Die Energiewende braucht nicht nur mehr Erneuerbare, sondern auch strategische Unabhängigkeit. Der neue Bonus soll genau hier ansetzen – und könnte Modellcharakter für ganz Europa entwickeln.
Hintergrund: Europäische Lieferketten stärken
Die österreichische Klimaschutzministerin Leonore Gewessler erklärte zum Start des Programms:
„Wir müssen unsere Abhängigkeit von Asien reduzieren. Mit dem ‚Made in Europe‘-Bonus stärken wir europäische Fertigung und erhöhen gleichzeitig die Versorgungssicherheit.“
Tatsächlich dominieren derzeit asiatische Anbieter – insbesondere aus China – große Teile der globalen Photovoltaik-Wertschöpfungskette. Über 80 Prozent der weltweit installierten Solarmodule stammen aus chinesischer Produktion. Von Modulen über Wechselrichter bis zu Batteriespeichern stammen viele Schlüsselkomponenten aus Fernost. Das ist effizient – aber auch riskant.
Mit dem „Made in Europe“-Bonus setzt Österreich nun finanzielle Anreize, um lokale Alternativen zu fördern. Ziel ist es, einen höheren Anteil an Wertschöpfung in der EU zu halten – vom Rohmaterial bis zum fertigen Solarpanel.
Die Details des neuen Fördermodells
Im zweiten Fördercall des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes (EAG), der seit dem 23. Juni 2025 aktiv ist, können sich private, gewerbliche und landwirtschaftliche Antragsteller auf Fördermittel bewerben. Die Grundförderung bleibt unverändert, doch wer nachweislich europäische Komponenten einsetzt, kann einen Zuschlag von bis zu 30 Prozent auf die förderfähigen Investitionskosten erhalten.
Gefördert werden unter anderem:
- PV-Anlagen mit einer Leistung von bis zu 1 MWp
- Speicherlösungen zur Eigenverbrauchsoptimierung
- Netzintegration und Kombinationen mit Ladeinfrastruktur
- Innovationen im Bereich smarter Wechselrichter und Nachführsysteme
Die Auswahl der Hersteller erfolgt nach einem transparenten Nachweisverfahren. Ausschlaggebend ist, dass der jeweilige Anteil an europäischer Fertigung im Produkt klar belegt ist – entweder über Herkunftszertifikate oder Produktionsnachweise.
Ein industriepolitisches Signal mit Hebelwirkung
Der österreichische Photovoltaik-Verband (PVA) lobt die Maßnahme ausdrücklich. Geschäftsführer Herbert Paierl betonte:
„Das ist ein klares Bekenntnis zur europäischen Solarindustrie. Gerade jetzt, wo wir in Europa wieder eigene Modul- und Zellfertigungen aufbauen, ist ein solches Instrument goldrichtig.“
Auch Wirtschaftsvertreter begrüßen den Ansatz. Die österreichische Wirtschaftskammer verweist auf die hohe Importabhängigkeit bei kritischen Energiekomponenten und sieht in der Bonusregelung eine langfristige Standortstrategie. Für junge Start-ups in der Solarbranche schafft der Bonus zusätzlichen Anreiz, auf lokale Produktion zu setzen – etwa bei PV-Zubehör, Montagesystemen oder Monitoring-Software.
Herausforderung für Installateure und Planer
Nicht alle in der Branche sind jedoch uneingeschränkt begeistert. Aus dem Handwerkssektor wird vereinzelt Kritik laut, dass europäische Komponenten aktuell noch schwerer verfügbar oder teurer seien.
Ein Installateur aus der Steiermark berichtet anonym:
„Ich begrüße die Idee grundsätzlich. Aber wenn ich ein Projekt schnell realisieren muss und die europäischen Module sind ausverkauft, stehe ich vor einem Dilemma.“
Der österreichische Bundesverband für Elektrotechnik (OVE) fordert deshalb begleitende Maßnahmen – etwa bessere Bevorratung durch Großhändler, schnellere Zertifizierungsprozesse und transparente Vergleichbarkeit bei technischen Kennzahlen.
Einordnung im EU-Kontext
Österreich ist nicht das erste Land, das in Richtung europäischer Fertigung denkt – aber derzeit das erste, das dies aktiv mit einem Bonus in der Förderpraxis umsetzt. Die EU-Kommission selbst hatte in ihrer Solarstrategie (2023) das Ziel formuliert, bis 2030 rund 40 % des europäischen Solarmarkts mit lokaler Produktion zu decken.
Mit dem neuen Fördercall ist Österreich nun ein konkreter Vorreiter. Stimmen aus der EU-Kommission begrüßten den Schritt:
„Nationale Programme wie in Österreich senden genau das richtige Signal“, so ein Sprecher der EU-Direktion für Energiepolitik. „Sie stärken Innovation, Klimaresilienz und strategische Autonomie.“
Erwartungen für den Markt
Experten rechnen damit, dass das neue Fördermodell auch in Deutschland, Italien oder Belgien diskutiert wird. Bereits im Vorfeld der Einführung hatte es Gespräche auf Fachebene gegeben. Österreich könnte mit dem „Made in Europe“-Bonus also eine Pilotfunktion übernehmen.
Gleichzeitig erwarten Marktbeobachter, dass die Nachfrage nach europäischen Modulen – etwa von Solarwatt, Meyer Burger, Luxor oder Ennogie – deutlich anzieht. Schon jetzt verzeichnen einige Hersteller Lieferzeiten von mehreren Wochen. Wenn weitere EU-Staaten ähnliche Regelungen einführen, könnte dies einen regelrechten Investitionsschub für europäische Produktionskapazitäten auslösen.
Gesellschaftliche Wirkung und Chancen
Neben industriepolitischen Zielen birgt der neue Bonus auch gesellschaftliches Potenzial. Bürgerenergieprojekte, Genossenschaften oder Kommunen könnten durch die gezielte Förderung europäischer Produkte stärker eingebunden werden – mit lokaler Wertschöpfung und höherer Akzeptanz.
Gleichzeitig wird der Förderbonus als Beitrag zur technologischen Souveränität der EU verstanden. In Zeiten globaler Unsicherheit ist der Aufbau robuster Lieferketten nicht nur ökologisch, sondern auch strategisch sinnvoll.
Externe Links zur Förderausschreibung
Details zur aktuellen Ausschreibung und zur Bonusregelung gibt es auf der offiziellen Website der OeMAG unter:
https://www.oem-ag.at/de/foerderung/
Oder auf der offiziellen Website des österreichischen Bundesministeriums für Wirtschaft, Energie und Tourismus:
https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20250620_OTS0078/zweiter-foerdercall-fuer-photovoltaik-startet-am-montag-23-juni-2025
Fazit
Mit dem „Made in Europe“-Bonus setzt Österreich ein zukunftsweisendes Zeichen für mehr Unabhängigkeit, Versorgungssicherheit und Wertschöpfung im eigenen Kontinent. Die Maßnahme trifft den Nerv der Zeit: Sie verbindet Klimaschutz mit Industriepolitik und stärkt die europäische Solarbranche an einem entscheidenden Punkt. Andere Länder könnten bald nachziehen – und die EU so gemeinsam ein neues Kapitel ihrer Energiewende schreiben.